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Digitalisierung für den Bestand

Das Bauen im Bestand ist eine der wichtigsten Stellschrauben auf dem Weg zu einer nachhaltigen Zukunft: Hier liegt das größte Potenzial für ressourcenschonendes Bauen und für das Erreichen der Klimaziele. Denn mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen und rund 40 Prozent des Energieverbrauchs entfallen in der Europäischen Union auf den Gebäudesektor. Die Digitalisierung nimmt bei der Transformation bestehender Bauwerke damit eine Schlüsselrolle ein. Den damit verbundenen Herausforderungen, aber vor allem den digital getriebenen Lösungen und Innovationen für den zukunftsfähigen Umgang mit dem Bestand, widmet sich auch die digitalBAU 2026. Eines der vier zentralen Leitthemen ist deshalb Digitalisierung und Bauen im Bestand.

Von der präzisen Bestandserfassung über die Planung von Sanierungsvorhaben bis hin zur Umnutzung innerstädtischer Quartiere bieten digitale Lösungen vielfältige Potenziale für Effizienz, Nachhaltigkeit und Kostenkontrolle. Der Gebäudebestand ist in diesem Zusammenhang der entscheidende Hebel zur Erreichung der selbst gesteckten Klimaziele, denn ein Großteil der heutigen Gebäude wird auch im Jahr 2045 noch stehen. Deutschland strebt seine Klimaneutralität bis dahin an – mit einer signifikanten Reduktion der Emissionen im Gebäudesektor bereits bis 2030. Dies erfordert eine umfassende energetische und strukturelle Ertüchtigung. Politische Maßnahmen wie die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und die KfW-Programme schaffen hier wirtschaftliche Anreize für Bauherren und Investoren. Die Herausforderungen sind jedoch komplex: Die Heterogenität des Bestands, Jahrzehnte dauernder Sanierungsstau, Kostendruck und Fachkräftemangel machen die Digitalisierung notwendig wie unumgänglich.

Den Bestand lesbar machen

Eine erfolgreiche Sanierung beginnt mit einem umfassenden Verständnis des Bestands. Es gilt daher, den Ist-Zustand sowie wichtige Lebenszyklusdaten, die graue Energie und den CO₂-Fußabdruck so detailliert wie möglich zu erfassen. Moderne Technologien erleichtern das Sammeln umfangreicher und präziser Bestandsdaten hierbei enorm. Wichtige Elemente hierfür sind:

  1. Bestandsdigitalisierung
    Sie transformiert die analogen und oft bruchstückhaften Informationen über bestehende Gebäude in logisch geordnete, digitale Datenmodelle. Dies ist die grundlegende Basis für jedes Sanierungsvorhaben und ermöglicht maximale Effizienz sowie Transparenz über die „Ist-Situation“ für alle nachfolgenden Projektschritte.

  2. 3D-Aufmaß und Laserscanning
    Anstatt zeitaufwändiger manueller Messungen lassen sich mit digitalen Technologien wie Drohnenaufmaß oder mobile Laserscanner in kürzester Zeit Millionen von Messpunkten generieren, die zu einem Bestandsmodell zusammengeführt werden. So lässt sich eine präzise Abbildung des Bestands erzeugen – selbst von komplexen Details. Gleichzeitig bildet dieses Bestandsmodell die Grundlage für sog. digitale Zwillinge, die im gesamten Projektverlauf fortgeschrieben werden können.

Der digitale Zwilling

Digitale Zwillinge oder Digital Twins sind Informationsmodelle, die ein dynamisches, virtuelles Abbild des realen Gebäudes schaffen. Sie enthalten neben geometrischen Daten auch Informationen zur Gebäudeperformance, Sensordaten, Bauteilen, Materialzusammensetzungen oder über die Wartungshistorie. Die Einführung des Building Information Modeling (BIM) mit konsistentem und in einem 3D-Modell verankertem Datenmanagement ist der Schlüssel zum digitalen Zwilling: So lassen sich verschiedene Szenarien simulieren, etwa die Auswirkungen unterschiedlicher Konzepte für eine Umnutzung.

© Messe München GmbH

Durch realitätsnahe Simulationen kann außerdem ein optimiertes Facility Management (FM), effizientes Energiemanagement sowie dank der Fülle von digitalen Informationen eine präzise Wertermittlung sichergestellt werden. Auch großmaßstäbliche (überregionale) Planungen – etwa für komplette Ballungsräume oder innerstädtische Entwicklungsareale – können digital simuliert und optimiert werden, bevor ein einziger Stein bewegt wird.

Digitale Gebäude- und Materialpässe

Digitale Gebäuderessourcenpässe, wie sie z.B. von der DGNB oder dem Bundesland NRW gemeinsam mit Madaster angeboten werden, erhöhen die Transparenz und bilden die Grundlage für nachhaltige Entscheidungen und eine echte Kreislaufwirtschaft. Sie dokumentieren dabei nicht nur den Zustand und die energetische Performance eines Gebäudes, sondern vor allem die verbauten Materialien, deren Herkunft und ihre Recyclingfähigkeit sowie die Optionen zur Wieder- und Weiterverwendung. Die Integration von spezialisierten Recycling-Datenbanken ist hierbei ein wichtiger Schritt, um Materialien am Ende ihres Lebenszyklus effizient im Wertstoffkreislauf zu halten oder sie nach dem Recycling erneut in den Kreislauf zurückzuführen.

Digitale Werkzeuge für die Sanierung im Bestand

  1. Building Information Modeling (BIM)
    BIM ist längst nicht dem Neubausektor vorbehalten, sondern entfaltet seine volle Wirkung vor allem im komplexen Bestandsbau. Mit Scan-to-BIM werden die hochpräzisen Daten aus Laserscans in ein intelligentes BIM-Modell überführt. Dies eliminiert Fehler durch manuelle Übertragungen auf alten Bestandsplänen und beschleunigt einen präzisen, digitalen Modellaufbau. Das Bestandsmodell ist die Grundlage für die nachfolgenden Architektur- und Fachplanungsmodelle und ermöglicht frühzeitig kollaboratives Arbeiten, Konflikterkennung und eine präzise Mengenermittlung, die mit erheblichen Zeit- und Kostenersparnissen verbunden ist.

  2. Einsatz von Sensorik
    Intelligente Sensoren sind sozusagen die „Augen und Ohren“ eines Gebäudes. Smart Meter, CO₂-Sensoren, Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren, aber auch Drucksensoren in Leitungen oder Bewegungsmelder in den Fluren und Räumen eines Gebäudes liefern Echtzeitdaten über den Betriebszustand. Diese Informationen sind die Grundlage für datenbasierte Sanierungsstrategien: Sie identifizieren und lokalisieren präzise Schwachstellen wie undichte Stellen, Kältebrücken oder ineffiziente Lüftung. So können Maßnahmen gezielt dort eingesetzt werden, wo sie die größte Wirkung entfalten. Sensorik erlaubt darüber hinaus Entscheidungen datengestützt fundiert zu untermauern und zu fällen. Sie macht Sanierungsprojekte dadurch smarter, effizienter sowie nachhaltiger.

Die Zukunft ist jetzt: Unterstützung durch KI

Künstliche Intelligenz (KI) und spezialisierte Software-Tools revolutionieren die Planung und Umsetzung von Sanierungen. KI kann riesige Datensätze analysieren, Muster erkennen und auf dieser Basis optimale Sanierungskonzepte vorschlagen – unter Berücksichtigung von Kosten, Effizienz und Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt unterstützen diese Tools heute bereits bei der Aufgabe, aufwendige Förderanträge zu stellen, indem sie relevante Daten automatisiert zusammenführen und notwendige Nachweise generieren können.

Der Einsatz von KI ermöglicht das schnelle Durchspielen und Bewerten unzähliger Planungsvarianten – etwa bei der Umnutzung von Bestandsgebäuden: So lässt sich die Umwandlung von ehemaligen Büroflächen in wertvollen Wohnraum simulieren, die Machbarkeit der Umbaumaßnahmen prüfen und ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit bewerten. Die Leistungsfähigkeit der künstlichen Intelligenz entwickelt sich dabei rasant weiter und wird die Art und Weise, wie wir komplexe Prozesse in Bestand und Neubau weiter automatisieren sowie optimieren, grundlegend verändern.

Energetische Sanierung und smarte Technik

Vor allem im Gebäudebestand liegt enormes Potenzial für die Kombination von energetischer Sanierung und digitaler Prozesssteuerung: Während die energetische Ertüchtigung die physische Gebäudehülle betrifft, sorgt smarte Technik im Gebäudebetrieb für nachhaltige Effizienzgewinne.

Zwei Hände halten ein Tablet, das technische Überwachungdaten von Gebäuden anzeigt.
© Messe München GmbH

Gebäudeautomation, Heizungssteuerung und Nutzerverhalten

Eine moderne Gebäudeautomation vernetzt alle technischen Systeme eines Gebäudes – von der Heizung und Lüftung über die Beleuchtung bis hin zu Sonnenschutz. In Neubauten bereits im Konzept mitgedacht, kann sie ebenso ein Problemlöser für den Gebäudebestand sein.

So reagieren intelligente Heizungssteuerungen beispielsweise auf die Raumtemperatur, lernen aus dem Nutzungsverhalten, berücksichtigen Wetterdaten und passen die Wohlfühl-Parameter individuell an. Doch erst das konzertierte Zusammenspiel von Gebäudetechnik, vorhandener Bausubstanz und den Nutzeranforderungen ermöglicht ein vorausschauendes Energiemanagement – bei gleichzeitig hohem Komfort für die Nutzerinnen und Nutzer. Technisch möglich wie ökonomisch sinnvoll kann diese Herangehensweise damit auch für den Gebäudebestand werden.

Qualitäten im Bestand erkennen: Vom Leerstand zum Smart Building

Ganz egal ob, ob von der leerstehenden Dorfschule zum privaten Smart Home oder vom alten Gewerbebau zum komplexen Smart Building: Eine intelligente Planung, Vernetzung und konsequent digitale Steuerungen ermöglichen die kontinuierliche Optimierung der Betriebsprozesse. Prädiktive Regelungen sorgen dafür, dass nur dann geheizt oder gekühlt wird, wenn es wirklich notwendig ist und dank automatisierter Wartungszyklen lassen sich Problemstellen bereits lokalisieren, lange bevor die Gebäudetechnik ausfällt. So können die Betriebskosten und der Energieverbrauch nachhaltig und über den gesamten Betriebszeitraum einer Immobilie reduziert werden – entscheidende Faktoren für die Wirtschaftlichkeit von Sanierungsprojekten.

Energiemonitoring und -management im Gebäudebetrieb

Echtzeitdaten aus einem digitalen Energiemonitoring schaffen die nötige Transparenz für ein optimiertes Energiemanagement. Gerade in Bestandsgebäuden, wo Energieverbräuche und die damit verbundene Bewertung der Energieeffizienz bislang oft intransparent sind, helfen digitale Werkzeuge und Anwendungen dabei, Potenziale zu erkennen, sie nutzen und die Performance dadurch kontinuierlich zu verbessern.

Weg von der Einzelmaßnahme. Hin zur digitalen Quartierslösung

Große Potenziale auf dem Weg zur Klimaneutralität liegen in der Vernetzung auf der Quartiersebene. Digitale Lösungen ermöglichen es darum im Bestand integrierte Ansätze zu entwickeln, die bereits heute zur Anwendung kommen:

  1. Quartiersansätze
    Der Aufbau von Nahwärmenetzen, Photovoltaik-Sharing oder das gebäudeübergreifende Monitoring von Energieflüssen schafft Synergien für das Quartier und macht die energetische Sanierung auf dieser Ebene besonders effizient. Insbesondere in einer Bestandssituation mit heterogener Struktur ermöglichen digitale Tools und Systeme eine koordinierte Planung und Umsetzung.

  2. Plattformökonomie im Quartier
    Offene Systeme, interoperable Datenräume und digitale Schnittstellen sind die Grundlage für einen ganzheitlich vernetzten Gebäudebestand. Sie ermöglichen den Austausch von quartiersbezogenen Energiedaten, die gemeinsame Nutzung von Erzeugungs- und Speicherinfrastruktur sowie digitale Services für Bewohner – beginnend beim Lastmanagement für die Stromversorgung über eine intelligente Ladeinfrastruktur für Kfz bis hin zu Quartiers-Apps.

  3. Die Rolle der öffentlichen Hand und der Energieversorger
    Kommunen und Stadtwerke spielen eine zentrale Rolle a) als Initiatoren und b) als Moderatoren digitaler Quartierslösungen. Sie schaffen die grundlegenden rechtlichen sowie technischen Rahmenbedingungen für den Einsatz digitaler Quartierslösungen, sie fördern Pilotprojekte und treiben die übergreifende Digitalisierung in der Stadtentwicklung aktiv voran. Ihre Unterstützung ist darum notwendig, um von der individuellen Lösungsfindung des Einzelnen zu einer übergreifenden, effizienten und qualitativen Quartiersentwicklung – auch und vor allem im Bestand – zu finden.

Informationen zur Rolle des Staates und der Notwendigkeit einer ganzheitlichen Stadtentwicklung können Interessierte auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) finden.

Klares Bekenntnis: Bestandsprojekte digital planen. Die Zukunft nachhaltig gestalten.

Die stringente digitale Transformation unseres Gebäudebestands ist essenziell für das nachhaltige Bauen, den Schutz von Ressourcen und das effektive Erreichen der hochgesteckten Klimaziele bis zum Jahr 2045. Die Digitalisierung ist dabei der Schlüssel für erfolgreiche Projekte im Gebäudebestand, da sie die Herausforderungen, die das Bauen im Bestand mit sich bringt, beherrschbar macht.

Werkzeuge wie Scan to BIM, eine modellbasierte Planung oder digitale Quartierslösungen digitalisieren und optimieren bisher analoge Prozesse. Sie ermöglichen fundierte Entscheidungen und schaffen Transparenz über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes oder einer ganzen Siedlung hinweg. Für den effektiven Einsatz digitaler Technologien braucht es jedoch in der Zukunft verbindliche Standards, weiterhin offene, digitale Schnittstellen sowie die gezielte Aus- und Weiterbildung von Fachkräften, die immer rarer werden.

Konsequent digitalisieren und gezielt die Hemmnisse ausräumen

Trotz zahlreicher Werkzeuge, vielversprechender Planungstechnologien wie BIM und einer wachsenden Unterstützung durch KI-Tools, stößt die Digitalisierung auch beim Bauen mit dem Bestand auf Hemmnisse. Einerseits sind es die Investitionskosten für Hard- und Software in Entwurf und Planung oder fehlende Finanzierungsmöglichkeiten bei der Projektrealisierung – denn geldgebende Banken und potenzielle Investoren wollen immer wieder aufs Neue überzeugt werden. Andererseits sind es fehlendes digitales Know-how bei den Ausführenden und der akute Fachkräftemangel, die zu berücksichtigen sind.

Ein weiteres Problem ist die Fragmentierung der Baubranche. Heterogene Datenstrukturen und fehlende Standards bei den vielen kleinen und mittleren Unternehmen in Planung und Ausführung erschweren a) den Austausch von digitalen Informationen und behindern b) die Etablierung digitaler Prozesse. Hinzu kommen die bürokratischen Hürden durch überbordende Normen und Richtlinien in Deutschland. Um die Potenziale der Digitalisierung auch im Umgang mit dem Bestand voll auszuschöpfen, sind gezielte Fördermaßnahmen, individuelle Mitarbeiterschulungen – und die Veränderung des Mindsets in vielen Köpfen unerlässlich.

Die Grundpfeiler für eine erfolgreiche Digitalisierung beim Bauen im Bestand sind bereits gesetzt, innovative Forschung, Dienstleistungen und passende Produkte verfügbar. Besuchen Sie darum die digitalBAU 2026 in Köln, um die neuesten Entwicklungen sowie Lösungen kennenzulernen. In Köln treffen sich Industrie, Politik, Forschung, Ingenieurwesen, Branchenverbände und Entscheider, um gemeinsam das digitale Bauen weiter voranzutreiben. Werden Sie zu einem Teil dieser Community!

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