Zirkuläres Bauen steht für eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Bauteile und Materialien wie Ziegel, Fensterglas oder Stahl werden nicht entsorgt, sondern wiederverwendet – ganz im Sinne des Cradle-to-Cradle-Prinzips.
Das Zeitalter der linearen Bauweise ist vorbei. Die Zukunft liegt im zirkulären Bauen: Gebäude werden als Materiallager verstanden, die nach ihrer Nutzung sortenrein zurückgebaut und in neue Kreisläufe überführt werden können. Damit dies gelingt, braucht es digitale Werkzeuge und neue Planungsansätze – von Materialdatenbanken über Building Information Modeling (BIM) und dem digitalen Zwilling bis zur digitalen Baustelle. Die digitalBAU 2026 stellt die vielfältigen digitalen Lösungen für zirkuläres Bauen vor.
Jedes Jahr wandert der sogenannte „Earth Overshoot Day“ weiter nach vorn im Kalender – jener Tag, an dem alle natürlichen Ressourcen verbraucht sind, die unser Planet innerhalb eines Jahres regenerieren kann. Ab diesem Zeitpunkt leben wir global auf „Pump“ – und arbeiten weiter mit seltenen Erden, Sand, Erzen und anderen Materialien, die die Erde nicht in dem Maße zur Verfügung stellt, wie wir sie verbrauchen. Für Deutschland (und auch Polen) war der Overshoot Day bereits am 3. Mai 2025. Das bedeutet, dass, wenn alle Menschen weltweit so leben würden wie in Deutschland, die global verfügbaren Ressourcen bereits zu diesem frühen Zeitpunkt im Jahr aufgebraucht wären.
Als einer der größten Rohstoffverbraucher trägt die Baubranche in diesem Zusammenhang eine besondere Verantwortung: 90 Prozent der mineralischen Rohstoffe beansprucht der Bausektor und erzeugt dabei gleichzeitig über die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland. Weitere eindrucksvolle Fakten: Im Jahr 2023 entfielen rund 36 Prozent des gesamten Stahlbedarfs der EU auf diese ressourcenintensive Branche; Sand gilt heute als meistverwendeter Rohstoff der Welt – mit dem Bausektor als Hauptabnehmer.
Zirkuläres Bauen gewinnt vor diesem Hintergrund an wachsender Bedeutung. Ziel ist es, vorhandene Ressourcen zu schonen und Bauprodukte stofflich wiederzuverwenden. Anders als bei der früher üblichen linearen Bauweise sollen Materialien nach dem Ende der Gebäudenutzung nicht entsorgt, sondern möglichst sortenrein rückgebaut, recycelt oder wiederverwendet werden.
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Zirkuläres Bauen, oft synonym mit dem Cradle-to-Cradle-Prinzip verwendet – beschreibt ein durchgängiges Kreislaufkonzept. Biologisch abbaubare Verbrauchsgüter gelangen zurück in natürliche Kreisläufe. Technische Materialien werden hierbei in sortenreine Bestandteile zerlegt und wiederverwendet. Abfall im herkömmlichen Sinn soll dabei nicht mehr entstehen. Für den Gebäudebestand bedeutet das: Er wird zum Materiallager der Zukunft. Jede Schraube, jede Tür, jedes Stück Beton ist damit potenziell wieder verwendbar. Urban Mining – also die Rückgewinnung von Ressourcen aus bestehenden Gebäuden – wird zur strategischen Ressource. Digitale Materialkataster und Materialpässe liefern dafür die notwendige Transparenz.
Beim Urban Mining geht es darum, Materialien aus bestehenden Gebäuden systematisch zu erfassen und für die Wiederverwendung aufzubereiten. Materialdatenbanken oder der Gebäuderessourcenpass dokumentieren die verbauten Materialien und machen diese rückbaufähig sowie wirtschaftlich kalkulierbar. Die systematische Erfassung von Materialherkunft, CO₂-Fußabdruck und Recyclingfähigkeit ermöglicht eine echte Circular Economy im Bau.
So können komplette Gebäude mit gebrauchten Bauteilen aus einem intelligenten Recycling errichtet werden. Beispiele für zirkuläre Architektur mit Bestandsmaterial sind das Recyclinghaus in Hannover oder die Recyclingaufstockung in Kelsterbach. Nachhaltiges Bauen ist mit solchen Lösungen garantiert.
Zirkuläres Bauen beginnt beim Entwurf. „Design for Disassembly“ – also das Planen und Konstruieren für den sortenreinen Rückbau – wird zum zentralen Prinzip. Verbundmaterialien, schwer trennbare Klebungen oder nicht dokumentierte Komponenten erschweren die Wiederverwertung. Stattdessen wird auf lösbare, trennbare und dokumentierte Verbindungen gesetzt, um späteres Upcycling oder Recycling zu ermöglichen.
Upcycling meint die kreative Weiterverwendung von Materialien über ihren ursprünglichen Zweck hinaus – etwa wenn alte Turnhallenböden zu Möbeln verarbeitet werden oder Ziegel aus dem Rückbau als Fassadenmaterial dienen. In der Architektur entstehen daraus individuelle Lösungen mit Geschichte. Auch hier helfen digitale Plattformen, Materialien verfügbar zu machen und Planern neue Spielräume zu geben.
Bauweisen wie das serielle oder modulare Bauen bieten besondere Vorteile im zirkulären Kontext. Elemente, die im Werk vorgefertigt werden, lassen sich leichter rückbauen, sortieren und wiederverwenden. Gebäude nach dem Baukastenprinzip erlauben flexible Anpassungen und einen effizienteren Ressourceneinsatz. Ein Beispiel ist die Wohnanlage für Klinikpersonal in Esslingen, bei der vorgefertigte Module nach dem Prinzip „plug and play“ montiert wurden.
Neben nachhaltigen Materialien und fortschrittlichen Bautechniken spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle um das Potential der Kreislaufwirtschaft voll auszuschöpfen. Technologien wie Building Information Modeling (BIM) ermöglichen einen durchgängigen Informationsfluss über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Sie dokumentieren präzise, welche Materialien verwendet wurden, wie sie verbaut sind und welche Eigenschaften sie besitzen. Diese Daten sind die Grundlage für Rückbau, Wiederverwendung und Recycling.
Um Produkte nach ökologischen Kriterien zu bewerten, kommen Umweltproduktdeklarationen (EPDs) zum Einsatz. Sie dokumentieren Emissionen, Lebensdauer, Inhaltsstoffe und Umweltwirkungen. Ergänzend liefert das Product Circularity Data Sheet (PCDS) Informationen zur Kreislauffähigkeit – etwa ob ein Produkt trennbar, reparierbar oder recyclingfähig ist.
Gebäude werden zu Materialbanken: In Materialpässen dokumentieren alle verbauten Materialien samt Herkunft, CO₂-Werten und Wiederverwertbarkeit. Diese werden auf Materialplattformen virtuell hinterlegt. So zum Beispiel auf madaster.de, im digitalen Gebäuderessourcenpass von concular.de oder dem Gebäuderessourcenpass der DGNB.
Planer und Immobilien- bzw. Bauunternehmen erfassen damit die Materialien und Produkte, die in einem Gebäude verarbeitet sind und zahlen so quasi den Geldwert der Balken, Türen und Fenster auf ein Materialkonto ein. Für die Erhebung und Quantifizierung gibt es inzwischen verschiedene Anwendungen und Online-Plattformen, die zur Verfügung stehen und mit denen es außerdem möglich ist, CO2-Emissionen und die Kreislauffähigkeit von Immobilien zu berechnen. Angaben zur Materialherkunft und zur Verwertung werden dabei in einem Datensatz hinterlegt.
Nach dem Rückbau des betreffenden Gebäudes können die Materialien entsprechend des Cradle-to-Cradle Prinzips wiederverwertet oder in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden. Auf diese Weise ist es möglich, die begrenzten Ressourcen unserer Erde bestmöglich einzusparen.
Zu einer runden Sache wird das zirkuläre Bauen und die damit verbundene Kreislaufwirtschaft der Baubranche schließlich, wenn die digitale Planung und Dokumentation Hand in Hand mit einer digital gesteuerten Fertigung sowie Produktion geht. BIM-Modelle ermöglichen es, alle baurelevanten Daten in einem „as built“-Modell zu bündeln. So entsteht ein digitaler Zwilling des Gebäudes, der über den gesamten Lebenszyklus hinweg gepflegt und ergänzt wird. Dies schafft Transparenz und ermöglicht nachhaltigen Betrieb. Der Rückbau samt Wiederverwertung wird zudem optimal vorbereitet.
Die digitalBAU 2026 in Köln zeigt in Vorträgen, Diskussionsrunden und an den Ständen spezialisierter Aussteller, wie zirkuläres Bauen (im Sinne einer Circular Economy) mit digitalen Tools Realität wird. Die Messebesucher erleben die ganze Bandbreite an digitalen Lösungen und Dienstleistungen für kreislauffähiges Bauen.
Im Fokus stehen unter anderem Planungsmethoden wie BIM, mit deren Hilfe sich digitale Gebäudemodelle, die „digitalen Zwillinge“, schaffen lassen. Durch den Einsatz verschiedener Planungs-, Koordinations- und Ausführungs-Werkzeuge können Fehlerquellen bereits im Vorfeld erkannt und beseitigt werden. Der Material- und Rohstoffverbrauch lässt sich dadurch weiter optimieren und so ein entscheidender Beitrag zur Circular Economy leisten.