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Zwischen Algorithmus und Qualität: Gestaltung neu denken!

Interview mit Prof. Felix Dölker, Professor für Gestaltung mit KI an der Hochschule Mainz

Prof. Felix Dölker ist Kommunikationsdesigner und Professor für Gestaltung mit Künstlicher Intelligenz an der Hochschule Mainz. Er unterrichtet außerdem an mehreren Hochschulen in den Bereichen Architektur, Design und Medien. In Forschung und Lehre beschäftigt er sich mit den Auswirkungen KI-gestützter Werkzeuge auf Gestaltungsprozesse. Als geschäftsführender Gesellschafter der Agentur schunck dölker in Darmstadt verbindet er gestalterische Praxis mit technologischer Reflexion. Zudem engagiert er sich als Erster Vorsitzender des Deutschen Werkbunds Hessen für die Zukunft der Gestaltung zwischen Tradition und Innovation.

In diesem Interview sprechen wir mit Felix Dölker über den Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf Gestaltung und Lehre. Er erklärt, warum KI nicht nur neue Werkzeuge bringt, sondern auch ein neues Verständnis von Qualität und Verantwortung erfordert.

Im Gespräch wird deutlich: Gute Gestaltung braucht mehr als Technologie – sie lebt von Haltung, Reflexion und handwerklichem Können.

© Felix Dölker

Herr Dölker, wie sind Sie überhaupt zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) gekommen? War das eher eine intrinsische Motivation oder gab es einen besonderen Moment?

Felix Dölker: Ich komme nicht direkt aus der Architektur, sondern aus dem Kommunikationsdesign. Machine Learning war lange kaum ein Thema im Design. Dennoch habe ich mich bereits vor dem Hype intensiv mit der Frage beschäftigt, was auf uns zukommt. Mich treibt eine tiefe Neugier an – und die klare Einsicht, dass da etwas Großes auf uns zukommt und wir keine Jahre mehr haben, um darauf zu reagieren. Viele unterschätzen, wie rasant diese Transformation tatsächlich ist. Wenn heute jemand sagt, er wolle sich „irgendwann mal“ mit KI befassen, wirkt das fast naiv, denn KI verändert unsere Arbeitswelt bereits jetzt. Ich sehe es auch als meine Verantwortung, dieses Thema zurück in die Lehre zu tragen. Die Welt, in der Studierende heute ihren Abschluss machen, ist nämlich eine andere als die, in der sie ihr Studium begonnen haben. Es wäre fahrlässig, sie darauf nicht vorzubereiten.

Was für ein Glücksfall, den Austausch über das Hochschulnetzwerk in die anderen Fachbereiche zu nutzen, um das Potenzial und die Tragweite von KI wirklich zu erfassen!

Felix Dölker: Absolut. Der Alltag im Büro bietet oft wenig Raum für eine grundlegende Auseinandersetzung mit neuen Technologien. Hochschulen hingegen bieten genau diesen Raum für Reflexion, Austausch und Experimente. Gerade kleineren Büros fehlen oft Zeit und Mittel, um sich systematisch damit zu beschäftigen. Die Großen investieren bereits massiv – sowohl personell als auch technologisch. Dadurch entstehen neue Konkurrenzsituationen, auf die kleinere Akteure kaum vorbereitet sind. Dabei hat KI eigentlich ein demokratisierendes Potenzial – aber nur, wenn der Zugang niedrigschwellig ist und Wissen geteilt wird.

Ein zentraler Bezugspunkt für meine Auseinandersetzung mit KI in der Gestaltung ist der Begriff der Qualität. Ursprünglich beschreibt er schlicht die Beschaffenheit einer Sache, in gestalterischen Prozessen jedoch weit mehr: Atmosphäre, Wirkung und Kontext. Gerade weil der Begriff so vielschichtig und aufgeladen ist, eignet er sich hervorragend, um entlang seiner Definition die Frage zu verhandeln, was gute Gestaltung heute ausmacht – insbesondere in einer Zeit, in der KI uns suggeriert, Qualität ließe sich einfach per Prompt erzeugen.

Was verändert KI konkret im Gestaltungsprozess?

Felix Dölker: Sehr viel. Wir müssen lernen, noch präziser zu kommunizieren, beispielsweise durch gut formulierte Prompts oder spezialisierte Workflows. Das zwingt uns, unsere Gestaltungsabsichten klar zu formulieren. Gleichzeitig besteht die Gefahr, sich zu schnell zufriedenzugeben, da die KI stets Ergebnisse produziert, die zumindest plausibel wirken. Dabei könnten wir die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Qualität und Kontext verlieren. Gute Gestaltung ist jedoch mehr als ein ansprechendes Bild, denn sie erfordert Urteilskraft, Erfahrung und Reflexion.

Muss man also weiterhin das Handwerkszeug beherrschen?

Felix Dölker: Unbedingt. KI wirkt oft wie ein abgeschlossenes Universum mit unendlichen, und zugleich begrenzten Möglichkeiten. Das klingt paradox, birgt aber das Risiko, sich beim Gestalten diesen Grenzen zu unterwerfen. Das ist gefährlich. Wir brauchen das gestalterische Handwerk, um ein Gefühl für Materialität, Kontext und Relevanz zu bewahren. Ich habe in meinem Studium noch Bleisatz gelernt – nicht, weil es heute noch praxisrelevant ist, sondern weil es das Verständnis von Typografie verändert. Solche Erfahrungen sind wichtig, um einen authentischen Zugang zur Gestaltung zu finden. Für eine gelungene Gestaltung ist die Kenntnis von Grenzen jedoch unerlässlich, denn nur wer Limitationen spürt, entwickelt ein fundiertes Verständnis für Qualität.

KI kann vieles vereinfachen, aber sie entbindet uns nicht von der Verantwortung, eigene Entscheidungen zu treffen und eine echte Haltung zu vertreten. In der japanischen Praxis des Suiseki wird das Kuratieren selbst zur Kunstform: Ein Stein wird aufgrund seiner Form bewusst ausgewählt und in Szene gesetzt – nicht, weil er der „beste“ ist, sondern weil ihm durch die Auswahl und den Kontext Bedeutung verliehen wird. Diese Haltung zeigt, dass Gestaltung nicht nur das Erzeugen, sondern auch das Entscheiden ist.

Wie erleben Sie den Umgang mit Technik im Praxisalltag und was würde helfen den Zugang zu erleichtern?

Felix Dölker: Viele Menschen erleben digitale Systeme als Black Box. Selbst im professionellen Kontext fehlt oft ein grundlegendes Verständnis für Technologie. Wer digitale Werkzeuge nur konsumiert, aber nicht versteht, was dahinter passiert, verliert die Fähigkeit, kritisch mit ihnen umzugehen. Wer die Möglichkeiten der Technologie wirklich nutzen will, muss bereit sein, sich auch mit den Grundlagen auseinanderzusetzen – unabhängig vom Alter oder beruflichen Hintergrund. Das geht wunderbar über Workshops, Austausch, gemeinsames Erkunden. Viele verstehen erst im Tun, was die Technologie leisten kann – und was nicht. Ohne diese ersten Aha-Erlebnisse bleibt es abstrakt und oft frustrierend. Die Technik darf kein Selbstzweck sein, sondern soll Gestaltung ermöglichen, nicht ersetzen.

Was würden Sie als ersten Schritt im Umgang mit KI empfehlen?

Felix Dölker: Der wichtigste Schritt ist, anzufangen. Man sollte nicht abwarten, sondern ausprobieren, reflektieren und sich mit anderen austauschen. Ob im Büro, im Team oder in Netzwerken – gemeinsam lernt man schneller. Wichtig ist, Verantwortung zu übernehmen: für den Einsatz der Tools, für die Ergebnisse und dafür, nicht alles unkritisch zu akzeptieren. KI kann Prozesse beschleunigen, aber sie ersetzt nicht das Denken. Es geht darum, mit der Technik zu gestalten, statt nur mit ihr zu arbeiten.

In einer Welt voller Möglichkeiten entscheidet nicht nur, was wir gestalten, sondern auch, was wir bewusst weglassen. Vilém Flusser bringt es auf den Punkt: „Der Apparat tut, was der Mensch will, aber der Mensch kann nur wollen, was der Apparat kann.“

Zwei Personen an einem Schreibtisch betrachten Immobilienfotos und -details auf einem Computerbildschirm.
© Felix Dölker
Studierende des Masters »Architektur Mediamanagement« an der Hochschule Bochum experimentieren mit der Bild-Generator-KI Stable Diffusion
Die Leute sehen sich eine Präsentation an, bei der in Fettdruck auf eine Leinwand der Text „2025 alle Arbeit“ projiziert wird.
© Kim Lautensack
Diskussionsformat {un}easy an der Hochschule Mainz zum Impact von Künstlicher Intelligenz auf Gestaltungsberufe
Ein modernes, minimalistisches Betongebäude steht auf einer nassen, reflektierenden Oberfläche unter einem bewölkten Himmel.
© Felix Dölker
Workshopergebnis 1/3 aus dem Workshop »Beyond Prompting« im Rahmen des 18. AMM Symposiums 2025
Modernes rosa Haus mit großen Fenstern, Pool und Treppe unter einem pastellrosa Himmel bei Sonnenuntergang.
© Felix Dölker
Workshopergebnis 2/3 aus dem Workshop »Beyond Prompting« im Rahmen des 18. AMM Symposiums 2025
Modernes zweistöckiges Haus mit großen Glasfenstern und klarem, minimalistischem Design, auf einer Rasenfläche gelegen.
© Felix Dölker
Workshopergebnis 3/3 aus dem Workshop »Beyond Prompting« im Rahmen des 18. AMM Symposiums 2025
Zwei Personen an einem Schreibtisch betrachten Immobilienfotos und -details auf einem Computerbildschirm.
Die Leute sehen sich eine Präsentation an, bei der in Fettdruck auf eine Leinwand der Text „2025 alle Arbeit“ projiziert wird.
Ein modernes, minimalistisches Betongebäude steht auf einer nassen, reflektierenden Oberfläche unter einem bewölkten Himmel.
Modernes rosa Haus mit großen Fenstern, Pool und Treppe unter einem pastellrosa Himmel bei Sonnenuntergang.
Modernes zweistöckiges Haus mit großen Glasfenstern und klarem, minimalistischem Design, auf einer Rasenfläche gelegen.
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