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Einsatz künstlicher Intelligenz im Bauwesen

Optionen für das Bauen von Morgen

Die Digitalisierung des Bauwesens und die damit verbundene Automatisierung zahlreicher Planungs- und Bauprozesse gewinnt weiter an Fahrt. Dennoch ist der Bausektor im Vergleich zu anderen Industriezweigen noch immer äußerst analog. Eine Fülle stets wiederkehrender Aufgaben – Tätigkeitsfelder, die beispielsweise im Automobilbereich längst von Robotern und digital gesteuert gelöst sind – müssen auf unseren Baustellen weiterhin in Handarbeit und mit dem Einsatz von Körperkraft erfüllt werden. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen schaffen hier jedoch eine wichtige Basis, um zukünftig das Planen und Bauen automatisierter, effizienter und noch qualitätsvoller werden zu lassen. Und KI entlastet die vielen Menschen, die tagtäglich auf den Baustellen und in den Architektur- und Planungsbüros ihrer herausfordernden Tätigkeit nachgehen.

© Messe München GmbH

Der Nutzen des Einsatzes von KI über alle Industrien und etablierten Technologien hinweg wird aktuell immer wieder beschrieben und in zahlreichen Studien prognostiziert. Welchen wirtschaftlichen Mehrwert künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen über das nächste Jahrzehnt erzielen wird, lässt sich dennoch nicht exakt absehen. Die denkbaren Optimierungen allerdings durch eine Automatisierung von Standardprozessen im Bauwesen sind so eklatant, dass allein für Deutschland von einem Potenzial von mehreren Mrd. EUR in der nächsten Dekade auszugehen ist.

Bauen ist Handwerk

Warum das so ist, liegt auf der Hand: Bauen ist bis zum heutigen Tag ein weiterhin handwerklicher Prozess mit allen verbundenen Vor- und Nachteilen. Intelligenz im Bauen entsteht seit jeher vorrangig aus dem Know-how, das Architektur- und Planungsbüros, Bauunternehmen und Fachhandwerksfirmen in den Planungs- und Bauprozess eintragen und damit die Qualität unserer Architektur maßgeblich steuern. Die humane Intelligenz, um einen Gegenspieler zur künstlichen Intelligenz zu setzen, ist damit der Kompass, an dem sich eine weiterführende Entwicklung intelligenter Systeme orientieren muss. Sie gibt die Richtung digitaler Entwicklungen vor. Hinzu kommt die Diversität der Aufgaben, die im Entwurfs-, Planungs- und Bauprozess und der anschließenden Betriebsphase eines Gebäudes entstehen sowie die Vielfältigkeit der eingebundenen Planungspartner*innen und Protagonist*innen in einem komplexen Gefüge aus technischen Anforderungen, Normen und Regelwerken, Umsetzungsoptionen und Lösungsansätzen für die gebaute Umwelt.

Führt man sich das Geflecht der Abhängigkeiten vor Augen, wird schnell klar, wo aktuell die größten Entwicklungspotenziale für Künstliche Intelligenz im Bauwesen liegen:

1. In der Automatisierung der Planung, 2. In der Standardisierung von Bauprozessen und 3. in der Verringerung des Personaleinsatzes auf den Baustellen.

Die Automatisierung in der Planung vorantreiben

Digitale Planungsmethoden wie Building Information Modeling (BIM) erzeugen bereits früh im Planungsprozess einen umfassenden Daten- und Informations-Pool, der für den Einsatz maschinellen Lernens genutzt werden kann. Vor allem im Ausschreibungs- und Vergabeprozess, der unabhängig vom Bauvorhaben selbst meist ähnlich abläuft und dank datenbankgestützter Prozesse einen hohen Digitalisierungsgrad ermöglicht, bietet KI in Form des „Deep Learnings“ bereits großen Effizienzgewinn. So kommen weltweit bei zukunftsorientierten Bau- und Planungsunternehmen bereits Algorithmen zum Einsatz, die aus verschiedenen Bieterangeboten für Projekt- und Bauleistungen das optimale (was nicht immer das günstigste Angebot ist) ermitteln. Auf Basis zuvor definierter Parameter (z.B. nachgewiesenes Know-how für die Spezialaufgabe, fortschrittlicher Technologieeinsatz, Effizienzvorsprung im Markt) erfolgt dabei eine objektive Bewertung für die jeweiligen Projektanforderungen. Das Verständnis für die Angebotsanforderungen, das durch eine breite Anwendung des Deep-Learnings in verschiedenen Bauanwendungen, Einsatzbereichen und Aufgaben entsteht, fließt anschließend in die Software zurück und lässt die intelligenten Algorithmen beim nächsten Projekt erneut aus neuen Entscheidungen lernen.

Generative Design im Bausektor

Das Beispiel veranschaulicht, dass vor allem bei wiederkehrenden Planungsaufgaben mit redundanten Aufgaben maschinelles Lernen und KI neue Qualitäten im Planungsprozess ermöglichen. Dennoch bleibt das humane Wissen in den Architektur- und Planungsbüros die wichtige Grundlage für alle digital initiierten Lernprozesse von Software und Technik. Das Generative Design – vereinfacht gesagt das Entwerfen unter der Berücksichtigung von zuvor hinterlegten Parametern und eine stetige Optimierung des Entwurfsergebnisses – ist ein weiterer Bereich der KI-Anwendung im Bauen. Noch relativ am Anfang stehend, ist eine parametrisch basierende Planung dennoch ein vielversprechendes Arbeitsfeld im Architektursektor.

Da viele Parameter bei der Planung von Gebäuden vorgegeben sind und individuelle Nutzeranforderungen, Konstruktion, Lage und Funktion der Räume sowie die angebundenen technischen Anlagen miteinander in einem direkten Verhältnis stehen, lassen sie sich im Generative Design intelligent verbinden. In der konkreten Planungsanwendung heißt dies, dass technische Regelwerke und Normen, planerische Vorgaben und räumliche Abhängigkeiten in den generativen Prozess einfließen. Im Ergebnis entstehen so beispielsweise optimierte Grundrissvarianten, die alle baurechtlich geforderten sowie vom Bauherrn gewünschten Eigenschaften berücksichtigen. Damit werden die versierte Projekt-Architektin oder der hochspezialisierte Tragwerksplaner aber keineswegs überflüssig. Ihnen wird jedoch ihre Arbeit durch die Unterstützung eine KI erleichtert. Gleichzeitig sinkt zudem die Gefahr, dass wesentliche Punkte im Entwurf schlicht vergessen werden.

Standardisierung und Automatisierung im Bauprozess

Die Nutzung von Gebäudemodellen, die im Rahmen einer BIM-Planung entstehen, lässt sich ebenso auf die Baustelle erweitern. Dabei entsteht ein Mehrwert sowohl in Richtung Planung wie Bauausführung: Zum einen greifen selbstfahrende Baumaschinen oder Roboter auf angepasste BIM-Modelldaten für ihre autarke Bewegung über die Baustelle oder die Ausführung von Bauarbeiten (Mauerroboter, automatisierter Baugrubenaushub mit GPS-gesteuerten Baggern, digitale gestützte Baufortschritts- und Qualitätsmanagement mit animaloiden Robotern) zurück. Zum anderen können die bei deren Einsatz neu entstehenden Daten umgekehrt genutzt werden, Planungs- und Ist-Situation auf der Baustelle abzugleichen, relevante Abweichungen zu entdecken, zu bewerten und so teure Ausführungsfehler zu vermeiden.

Künstliche Intelligenz in der Bauausführung soll es in naher Zukunft ermöglichen, die Fülle wiederkehrender Arbeitsabläufe auf einer Baustelle effizient sowie automatisiert zu gestalten. Basis hierfür muss immer ein umfangreicher Daten- und Informationsstand sein, der zur Verfügung steht. Je detaillierter und spezifizierter beispielsweise die Informationen aus dem Gebäudemodell und aus den Fachplanermodellen sind und je mehr Erfahrungswerte bereits aus vorangegangen Projekten vorhanden sind, desto intelligenter lassen sich Prozesse automatisiert vorantreiben. Das Ziel soll sein, Arbeiten wie den Baustellenaushub, knüpfen von Stahlbewehrungen und manuelles Erstellen von Schalungen oder einfache Mauer- und Betonarbeiten zukünftig automatisch und unter der Qualitätskontrolle qualifizierter Facharbeiterinnen und Facharbeiter zu ermöglichen – nicht mehr jedoch unter deren körperlichen Einsatz für diese anstrengenden Bauaufgaben. Die Akzeptanz und Relevanz des Modularen Bauens und einer Vorfertigung im Bausektor wird dabei ebenso wachsen, wie die Effizienz im Bauprozess. Damit einher gehen wird zukünftig eine deutlich höhere Attraktivität von Baustellentätigkeiten, denn der Anteil körperlich schwerer Arbeit nimmt spürbar ab.

Der Mensch ist das Maß der Dinge

Der Mensch spielt im Kontext mit unserer Architektur die wichtigste Rolle beim Einsatz von KI und maschinellem Lernen, Deep Learning, Generative Design oder Robotereinsatz im Bauwesen. Die bauliche Qualität der durch KI-Technologie geschaffenen Architektur, hohe Kostensicherheit sowie minimierte Fehlerquellen für Planung, Bau und Betrieb sind ganz sicher wichtige Aspekte für ihren verstärkten Einsatz im Bauen. Nicht minder wesentlich ist aber, die Protagonisten in Planung und Realisierung mittel- und langfristig zu entlasten. Denn die jährliche Abwanderung von Fachpersonal, vor allem aus dem Rohbaugewerken, liegt mit 5 bis 6 Prozent deutlich über dem Durchschnitt, verglichen mit anderen Industriezweigen (ca. 4 Prozent). Künstliche Intelligenz kann hier helfen, die Attraktivität der Arbeit in der Planung und vor allem auf den Baustellen deutlich zu erhöhen. Erste Beispiele, die den Forschungsstatus verlassen und nun in die Breitenanwendung gehen, geben hier Mut für ein zukünftiges und kluges „Teamwork“ von humaner und künstlicher Intelligenz.