Die Digitalisierung des Bauwesens und die damit verbundene Automatisierung zahlreicher Planungs- und Bauprozesse gewinnt weiter an Fahrt. Dennoch ist der Bausektor im Vergleich zu anderen Industriezweigen noch immer analog geprägt. Eine Fülle stets wiederkehrender Aufgaben – Tätigkeitsfelder, die beispielsweise im Automobilbereich längst von Robotern und digital gesteuert gelöst sind – müssen auf unseren Baustellen weiterhin in Handarbeit und mit dem Einsatz von Körperkraft erfüllt werden. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen schaffen hier jedoch eine wichtige Basis, um zukünftig das Planen und Bauen automatisierter, effizienter und noch qualitätsvoller werden zu lassen.
Sie werden damit zum Gamechanger in einer Branche, in der bislang eher analog und handwerklich als digital und logarithmusbasiert gearbeitet wurde. Die digitalBAU 2026 hat KI aus diesem Grund zu einem zentralen Leitthema erklärt und widmet sich der disruptiven Technologie ausführlich an den Messeständen, in Fachvorträgen, Messeforen und Livetalks.
Darüber hinaus entlastet KI die vielen Menschen, die tagtäglich auf den Baustellen und in den Architektur- und Planungsbüros ihrer herausfordernden Tätigkeit nachgehen. Vor allem die Automatisierung repetitiver Aufgaben durch KI-Unterstützung und der Einsatz von Robotern und Maschinen zum Mauern, Verputzen, für die Baustellenüberwachung, das Aufmaß oder zur Steigerung der Qualität und Sicherheit im Baubetrieb wächst inzwischen deutlich an.
Der Nutzen des Einsatzes von KI über alle Industrien und etablierten Technologien hinweg wird aktuell immer wieder beschrieben und in zahlreichen Studien prognostiziert. Welchen wirtschaftlichen Mehrwert künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen über das nächste Jahrzehnt erzielen wird, lässt sich dennoch nicht exakt absehen. Die denkbaren Optimierungen allerdings durch eine Automatisierung von Standardprozessen im Bauwesen sind so eklatant, dass allein für Deutschland von einem Potenzial von mehreren Mrd. EUR in der nächsten Dekade auszugehen ist. Forschungen zeichnen ein ähnliches Bild für den globalen Markt. So erwartet das Marktforschungsinstitut Global Market Insights für das Jahr 2032 einen durch KI generierten Umsatz in der Baubranche von über 15 Mrd. US-Dollar. Das größte Potenzial sehen die Marktforscher dabei in den Bereichen Projekt- und Risikomanagement, in der Bauüberwachung und im Gebäudebetrieb.
Warum das so ist, liegt auf der Hand: Bauen ist bis zum heutigen Tag ein weitgehend handwerklicher Prozess mit allen verbundenen Vor- und Nachteilen. Intelligenz im Bauen entsteht seit jeher vorrangig aus dem Know-how, das Architektur- und Planungsbüros, Bauunternehmen und Fachhandwerksfirmen in den Planungs- und Bauprozess eintragen und damit die Qualität unserer Architektur maßgeblich steuern. Die humane Intelligenz, um einen Gegenspieler zur künstlichen Intelligenz zu setzen, ist damit der Kompass, an dem sich eine weiterführende Entwicklung intelligenter Systeme orientieren muss. Sie gibt die Richtung digitaler Entwicklungen vor. Hinzu kommt die Diversität der Aufgaben, die im Entwurfs-, Planungs- und Bauprozess und der anschließenden Betriebsphase eines Gebäudes entstehen sowie die Vielfältigkeit der eingebundenen Planungspartner*innen und Protagonist*innen in einem komplexen Gefüge aus technischen Anforderungen, Normen und Regelwerken, Umsetzungsoptionen und Lösungsansätzen für die gebaute Umwelt.
Führt man sich das Geflecht der Abhängigkeiten vor Augen, wird schnell klar, wo aktuell die größten Entwicklungspotenziale für Künstliche Intelligenz im Bauwesen liegen:
Digitale Planungsmethoden wie Building Information Modeling (BIM) erzeugen bereits früh im Planungsprozess einen umfassenden Daten- und Informations-Pool, der für den Einsatz maschinellen Lernens genutzt werden kann. Vor allem im Ausschreibungs- und Vergabeprozess, der unabhängig vom Bauvorhaben selbst meist ähnlich abläuft und dank datenbankgestützter Prozesse einen hohen Digitalisierungsgrad ermöglicht, bietet KI in Form des „Deep Learnings“ bereits großen Effizienzgewinn.
So kommen weltweit bei zukunftsorientierten Bau- und Planungsunternehmen bereits Algorithmen zum Einsatz, die aus verschiedenen Bieterangeboten für Projekt- und Bauleistungen das optimale (was nicht immer das günstigste Angebot ist) ermitteln. Auf Basis zuvor definierter Parameter (z.B. nachgewiesenes Know-how für die Spezialaufgabe, fortschrittlicher Technologieeinsatz, Effizienzvorsprung im Markt) erfolgt dabei eine objektive Bewertung für die jeweiligen Projektanforderungen. Das Verständnis für die Angebotsanforderungen, das durch eine breite Anwendung des Deep-Learnings in verschiedenen Bauanwendungen, Einsatzbereichen und Aufgaben entsteht, fließt anschließend in die Software zurück und lässt die intelligenten Algorithmen beim nächsten Projekt erneut aus neuen Entscheidungen lernen.
Das Beispiel veranschaulicht, dass vor allem bei wiederkehrenden Planungsaufgaben mit redundanten Aufgaben maschinelles Lernen und KI neue Qualitäten im Planungsprozess ermöglichen. Dennoch bleibt das humane Wissen in den Architektur- und Planungsbüros die wichtige Grundlage für alle digital initiierten Lernprozesse von Software und Technik. Das Generative Design – vereinfacht gesagt das Entwerfen unter der Berücksichtigung von zuvor hinterlegten Parametern und eine stetige Optimierung des Entwurfsergebnisses – ist ein weiterer Bereich der KI-Anwendung im Bauen. Bisher vor allem für Einzel- und Leuchtturmprojekte angewendet, ist eine parametrisch basierende Planung dennoch ein vielversprechendes Arbeitsfeld im Architektursektor – vor allem im Zusammenspiel mit KI-Tools.
Da viele Parameter bei der Planung von Gebäuden vorgegeben sind und individuelle Nutzeranforderungen, Konstruktion, Lage und Funktion der Räume sowie die angebundenen technischen Anlagen miteinander in einem direkten Verhältnis stehen, lassen sie sich im Generative Design intelligent verbinden. In der konkreten Planungsanwendung heißt dies, dass technische Regelwerke und Normen, planerische Vorgaben und räumliche Abhängigkeiten in den generativen Prozess einfließen. Im Ergebnis entstehen so beispielsweise optimierte Grundrissvarianten, die alle baurechtlich geforderten sowie vom Bauherrn gewünschten Eigenschaften berücksichtigen. Damit werden die versierte Projekt-Architektin oder der hochspezialisierte Tragwerksplaner aber keineswegs überflüssig. Ihnen wird jedoch ihre Arbeit durch die Unterstützung durch eine KI erleichtert. Gleichzeitig sinkt zudem die Gefahr, dass wesentliche Punkte im Entwurf schlicht vergessen werden.
In den vergangenen zwei Jahren, im Nachgang der digital-BAU 2024, kamen immer mehr Text-zu-Bild-Modelle und andere bildgebende KI-Tools auf den Markt. Die führenden Softwareanbieter in der Baubranche aber ebenso kleinere Start-Ups bieten mit ihren Werkzeugen vor allem in frühen Entwurfsphasen erste Orientierung auf dem Weg zu einem optimierten Architekturentwurf. Durch diese Tools, die in BIM-Planungssoftware integriert sind oder auch autark als Applikation bzw. virtuell in der Cloud ausgeführt werden, wird eine schnelle Visualisierung von Architekturkonzepten auf der Basis von Texteingaben möglich. Das lässt frühe Entwurfsvarianten und Ideenskizzen anschaulich, interaktiv und damit lebendig werden für Bauherren, Investoren und Projektpartner. Die Anforderungen exakt im Prompt formuliert und die KI optimal eingesetzt, bieten sie Entwerfenden wie Planenden aktive Unterstützung bei der Ausformulierung von Entwurfsideen – und ermöglichen dadurch konzeptionelle Bandbreite, einen „freien Kopf“ für andere, wichtige Aufgaben. Weiterer Mehrwert: Sie erleichtern die Kommunikation mit den Beteiligten im Rahmen eines Wettbewerbs oder weiterführend im späteren Projekt.
Die Weichen für eine nachhaltige und kreislauffähige Architektur werden schon früh im Planungsprozess gestellt. Architektur als potenzielles Rohstofflager für die Zukunft zu verstehen und auf lange Standzeiten und die Weiternutzung von Bauteilen und Baumaterialien im Gebäudelebenszyklus zu setzen, sind hierfür elementar. Materialkataster, in denen gebrauchte Bauteile aus Um- und Rückbau erfasst werden, setzen u.a. auf datenbankunterstützte KI. Diese ist nach umfassendem Training an realen Datensätzen in der Lage passende oder ähnliche Bauelemente vorzuschlagen, die individuelle Planungsanforderungen berücksichtigen. Durch eine detaillierte Analyse von Stoffströmen kann KI darüber hinaus ermitteln, welche Materialien in Bestandsgebäuden verbaut sind, wann sie für eine Wiederverwendung zur Verfügung stehen und für welche Art von Projekten sie wiederverwendet werden können. Die notwendigen Systeme stehen bereits zur Verfügung: KI-basierte Plattformen wie Madaster und syte ermöglichen eine umfassende und präzise Erfassung und Bewertung von Bestandsgebäuden und Materialien. Solche Angebote erleichtern die Planung bei einem Um- oder Rückbau, unterstützen die Wiederverwendung und legen damit die Grundlage für zukünftig bundesweite Materialkataster.
Mit der künstlichen Intelligenz stehen auch für die Stadtplanung vielfältige und neue Anwendungen zur Verfügung. So sind KI-Systeme in der Lage, die riesigen Datenmengen, die in einer prosperierenden Metropole tagtäglich anfallen zu analysieren, zu verarbeiten, Optimierungspotenzial herauszustellen und gezielte Handlungsempfehlungen zu geben. Sie erkennen Trends oder simulieren Szenarien, die dazu beitragen, urbane Räume und das gesamte Stadtgefüge lebenswerter zu gestalten. Dazu gehört auch ein intelligentes Energie- und Wassermanagement. So helfen KI-Systeme den individuellen Verbrauch und die gemeinschaftliche Versorgung der Bürger effizient zu steuern und nachhaltige Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. KI generiert optimierte Flächennutzungs- und Straßenpläne, prognostiziert Verkehrsflüsse und unterstützt bei der Bedarfsanalyse, der Planung von Infrastrukturbauten, Grün- und Parkanlagen oder in der Wohnraumplanung. Partizipation ist ein weiteres Feld, in dem KI sammeln, strukturieren und vermitteln kann: Durch digitale Beteiligungstools fördert sie die Einbindung der Bürger. Die automatisierte Auswertung des Feedbacks bei Bürgerbeteiligungen ermöglicht darüber hinaus eine breitere und Beteiligung der Bevölkerung an Planungsprozessen, die ihr persönliches Wohn- und Lebensumfeld betreffen.
Die Nutzung von Gebäudemodellen, die im Rahmen einer BIM-Planung entstehen, lässt sich ebenso auf die Baustelle erweitern. Dabei entsteht ein Mehrwert sowohl in Richtung Planung wie Bauausführung: Zum einen greifen selbstfahrende Baumaschinen oder Roboter auf angepasste BIM-Modelldaten für ihre autarke Bewegung über die Baustelle oder die Ausführung von Bauarbeiten (Mauerroboter, automatisierter Baugrubenaushub mit GPS-gesteuerten Baggern, digitale gestützte Baufortschritts- und Qualitätsmanagement mit animaloiden Robotern) zurück. Zum anderen können die bei deren Einsatz neu entstehenden Daten umgekehrt genutzt werden, Planungs- und Ist-Situation auf der Baustelle abzugleichen, relevante Abweichungen zu entdecken, zu bewerten und so teure Ausführungsfehler zu vermeiden.
Künstliche Intelligenz in der Bauausführung wird es in naher Zukunft ermöglichen, viele wiederkehrende Arbeitsabläufe auf einer Baustelle effizient sowie automatisiert zu gestalten. Basis hierfür ist immer ein umfangreicher Daten- und Informationsstand, der zur Verfügung steht. Je detaillierter beispielsweise die Informationen aus dem Gebäudemodell und aus den Fachplanermodellen sind und je mehr Erfahrungswerte bereits aus vorangegangen Projekten vorhanden sind, desto intelligenter lassen sich Prozesse automatisiert vorantreiben. Das Ziel soll sein, Arbeiten wie den Baustellenaushub, knüpfen von Stahlbewehrungen und manuelles Erstellen von Schalungen oder einfache Mauer- und Betonarbeiten zukünftig automatisch und unter der Qualitätskontrolle qualifizierter Facharbeiterinnen und Facharbeiter zu ermöglichen – nicht mehr jedoch unter deren körperlichen Einsatz für diese anstrengenden Bauaufgaben. Die Akzeptanz und Relevanz des Modularen Bauens und einer Vorfertigung im Bausektor wird dabei ebenso wachsen, wie die Effizienz im Bauprozess. Damit einher gehen wird zukünftig eine deutlich höhere Attraktivität von Baustellentätigkeiten, denn der Anteil körperlich schwerer Arbeit nimmt spürbar ab.
Der Mensch spielt im Kontext mit unserer Architektur die wichtigste Rolle beim Einsatz von KI und maschinellem Lernen, Deep Learning, Generative Design oder Robotereinsatz im Bauwesen. Die bauliche Qualität der durch KI-Technologie geschaffenen Architektur, hohe Kostensicherheit sowie minimierte Fehlerquellen für Planung, Bau und Betrieb sind ganz sicher wichtige Aspekte für ihren verstärkten Einsatz im Bauen. Nicht minder wesentlich ist aber, die Protagonisten in Planung und Realisierung mittel- und langfristig zu entlasten. Denn die jährliche Abwanderung von Fachpersonal, vor allem aus dem Rohbaugewerken, liegt mit 5 bis 6 Prozent deutlich über dem Durchschnitt, verglichen mit anderen Industriezweigen (ca. 4 Prozent). Besonders problematisch ist aber, dass bereits heute mehr Fachkräfte in Rente gehen als nachrücken. Die schwankende Baukonjunktur trägt ebenfalls zu einer verstärkten Abwanderung bei.
Künstliche Intelligenz kann helfen, die Attraktivität der Arbeit vor allem auf den Baustellen deutlich zu erhöhen. Erste Beispiele, die den Forschungsstatus verlassen und nun in die Breitenanwendung gehen, geben hier Mut für ein partnerschaftliches und fruchtbares „Teamwork“ von humaner und künstlicher Intelligenz.
Die digitalBAU 2026 bietet dem Thema Künstliche Intelligenz viel Raum auf der Messe für die ganzheitliche und facettenreiche Betrachtung der (für die Baubranche noch jungen) Technologie. Messebesucher können sich die individuellen Lösungen und Dienstleistungen der Ausstellerfirmen mit KI-Fokus vorstellen lassen, diese vor Ort in Köln testen und mit Forschenden aus Universitäten, Hochschulen und Institutionen in den direkten Dialog treten. Zahlreiche Fachforen und Vorträge ergänzen die digitalBAU 2026 und geben den Besucher*innen zudem die Möglichkeit, ihr Wissen über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von KI zu vertiefen. Ein Besuch lohnt sich also in jedem Fall.